
Komplementäre Führungsroutinen
Das dritte Modellelement der Komplementären Führung bilden die Führungsroutinen. Dies sind die konkreten Aktivitäten, mittels derer die Führungsaufgaben von den Führungsakteuren und -akteurinnen umgesetzt werden. Personelle und strukturelle Routinen ergänzen sich komplementär zum Führungsanteil der beruflichen Tätigkeit.
Routinen als konkretes Tun
Zwischen Aufgaben und Aktivitäten der Führung zu unterscheiden, ist nicht üblich. Eben hierin liegt aber der Schlüssel zu einem wirklich handlungsleitenden Führungsverständnis, denn erst das, was als echtes Tun Zeit kostet und im Kalender steht, macht Führung konkret und verbindlich. Das Komplementäre Führungsmodell definiert daher einen Katalog wesentlicher Führungsroutinen. Der Begriff der Routinen ist dabei nur ein anderes Wort für Aktivitäten und soll verdeutlichen, dass auch jene, die selten vorkommen, routiniert beherrscht werden müssen. Die Führungsroutinen sind akteursspezifisch, wobei an den meisten Routinen zwei oder mehr Personen beteiligt sind. Zusammengenommen ergeben die Routinen den Führungsanteil der beruflichen Tätigkeit. Nimmt man die rein fachliche Ausführungsarbeit hinzu, die auch Führungskräfte typischerweise noch leisten, ist die Gesamttätigkeit – das, was die Arbeitswoche füllt – vollumfänglich beschrieben.
Personalführungsroutinen
Personalführungsroutinen dienen vorrangig der Umsetzung der personellen Führungsaufgaben, also der Herstellung persönlicher Leistungsbedingungen der Mitarbeitenden. Zu unterscheiden sind Regelroutinen, die laufend stattfinden, und Bedarfsroutinen, die nur im Bedarfsfall durchgeführt werden.
Es gibt branchen- und organisationsspezifische Unterschiede und auch Gestaltungsspielräume. Ohne regelmäßige Einzelgespräche und Teammeetings sowie Kriseninterventionen ist Personalführung aber generell nicht gut und wirksam leistbar. Und natürlich lassen sich Empfehlungen formulieren, die helfen, die Routinen situativ und individuell optimal umzusetzen.
Die mit Abstand wichtigste Personalführungsroutine ist die individuelle Arbeitsbesprechung, denn sie ist für die Führungsbeziehung und fast alle Führungsaufgaben essentiell.
Regelmäßige Einzelgespräche sind eine wichtige Personalführungsroutine.
Strukturelle Führungsroutinen
Strukturelle Führungsroutinen dienen primär der Umsetzung struktureller Führungsaufgaben. Sie separat aufzulisten lohnt, denn die Strukturbildung wird ansonsten im Alltag allzu leicht vernachlässigt. Alle Aktivitäten, die der Überprüfung und Entwicklung von Regelungen dienen, fallen hierunter, ebenso wie die operative Prüfung strukturbezogener Daten (z. B. zur Geschäftsentwicklung in der geführten Einheit).
Gute Führung verliert sich nicht im operativen Gewusel, sondern besteht zu guten Teilen aus Systemgestaltung, aus der Konzeption und Anpassung von Werkzeugen und Rahmenbedingungen. Insbesondere die Strategiefindung in Workshops und die Entwicklung von Instrumenten in Konzeptionsprojekten ist eine Kunst, die Profis beherrschen sollten. Eine wichtige Basis und gut investierte Zeit sind regelmäßige Reflexionen.
Strukturelle Führung erfordert eine gute Datengrundlage.
Tätigkeitsanteile unterschiedlicher Positionen
So komplex das Thema Führung auch ist, der Blick auf die Führungsroutinen macht es wieder übersichtlich. Die einfache Frage lautet: „Was steht in meinem Kalender?“ Dort wird auch schnell deutlich, dass Führung gleichzeitig auf mehreren Ebenen und in mehreren Rollen stattfindet. Unterschiedliche Positionen weisen dabei zwangsläufig unterschiedliche Tätigkeitsanteile auf.
Führungsroutinen als Ansatzpunkt der Kompetenzentwicklung
Wenn von Führungskompetenz die Rede ist, geht es meist um Elementarkompetenzen wie Kommunikation, Entscheidungsstärke oder Empathie. Diese sind freilich sehr unspezifisch und auch für sehr viele andere Tätigkeiten relevant. Der bessere Ansatzpunkt für die »Führungskräfteentwicklung« sind daher die Führungsroutinen. Eine Routine durchzuführen, lässt sich als Handlungskompetenz verstehen, und diese Ebene sollte bei Auswahl, Qualifikations- und Entwicklungsmaßnahmen im Fokus stehen.