Prämissen

Der Komplementären Führungstheorie liegen einige grundlegende theoretische Überlegungen zugrunde. Diese werden – der besseren Verständlichkeit des Theoriemodells wegen – im Folgenden knapp dargestellt.

Begriff der Führung

Führung im Sinne von organisationaler Personalführung wird verstanden als Einflussnahme auf Menschen in einer Organisation und ihren Einheiten zum Zweck der Erreichung der Ziele der Einheit durch Erzeugung von Arbeitsleistungen und Erfüllung sonstiger Anforderungen. Dabei stehen zumeist die wirtschaftlichen Erfolgsbeiträge der Arbeit im Vordergrund; sinnvollerweise ist aber auch auf die Einhaltung des Ordnungsrahmens (u. a. arbeitsrechtlicher Vorschriften) und die ausgewogene Berücksichtigung von Stakeholderbelangen (z. B. Mitarbeiterinteressen) abzustellen.

Personalführung ist abzugrenzen von politischem Anführertum und von der Führung reiner Sachgeschäfte. Führungseinfluss lässt sich auf zwei unterschiedlichen Weisen ausüben, entweder durch antizipatorische Normsetzung oder durch situative Intervention; beides wiederum kann hart oder sanft geschehen. Da umfassender interventionierender Fremdeinfluss i. d. R. Widerstände auslöst oder einer passiven Haltung Vorschub leistet, empfiehlt es sich, Führung primär normbasiert und sanft auszuüben (z.B. in Form geregelter Selbstführung, instrumenteller Verhaltensverstärkung, kollektiver sozialer Normen oder impliziter Kommunikation).

Führung ist ein kollektives Phänomen, an dem mehrere Akteure – u. a. Führungskräfte und Personalspezialisten – beteiligt sind. Das impliziert: Mitarbeiterführung und Personalmanagement sind ein und dasselbe. Zwar spricht nichts dagegen, bestimmte Führungsaufgaben und -aktivitäten der Personalabteilung und andere den Führungskräften zu übertragen. Es handelt sich jedoch nicht um getrennte Sphären, sondern um eine arbeitsteilige Bewältigung eines einzigen Mandats, nämlich der steuernden Einflussnahme auf das Personal einer Organisationseinheit. Dieser Einfluss muss im Übrigen nicht einmal ein Fremdeinfluss sein, sondern kann und sollte Selbstführung sein. Dementsprechend thematisiert die Komplementäre Führungstheorie gleichermaßen den Handlungsrahmen von Führungskräften und Mitarbeitern wie auch jenen von Personalabteilungen.

Führungsmodell
Regelungsbalance
Komplexität
One HR
Unternehmensführung

Balance von Regelungen und Freiräumen

Normative Führungsempfehlungen sind nur wirksam, wenn sie eine sinnvolle Balance von Regelungen und Regelungsfreiräumen beinhalten. Damit Personalführung im Betrieb flächendeckend funktionieren kann, müssen Strukturen und Verantwortlichkeiten festgelegt werden. Zugleich bedarf es individueller und situativer Freiheitsgrade, und zwar an den richtigen Stellen. Organisationen haben hier Gestaltungsspielräume. Bestimmte Führungsaspekte aber müssen geregelt werden, andere sollten es gerade nicht. Ob formale Führungsregelungen tatsächlich in informelle Strukturen und alltägliche Verhaltensweisen umgesetzt werden, hängt davon ab, ob sie a) zweckmäßig sind sowie b) konsequent kommuniziert und eingefordert werden.

Personalführung als Teil der Unternehmensführung

Die Personalführung ist ein Teil der Unternehmensführung (engl. „corporate management“, kurz „management“). Diese wiederum ist eine Querschnittsfunktion, die die übergeordnete Steuerung des eigentlichen Geschäftsbetriebs – der ausführenden Markt-, Produktions- und Ressourcenaktivitäten – zum Gegenstand hat. Sie lässt sich in drei Aufgabenfelder untergliedern: Das konstitutive Management beinhaltet die grundlegende Ausrichtung und Aufstellung der Einheit, das strategische Management die periodenbezogene Steuerung des Geschäfts und das operative Management die laufende Umsetzung der strategischen Vorgaben. Alle drei Aufgabenfelder sind auf Ebene der Gesamtorganisation, aber auch auf Ebene jeder einzelnen Organisationseinheit erforderlich. Vor diesem Hintergrund werden die herausgehobene Stellung und besondere Erfolgsrelevanz der Personalführung deutlich: Sie ist zwar auch eine spezifische Ressourcenwirtschaft („human resources“), und als solche nicht wichtiger oder unwichtiger als z.B. die betriebliche Finanz- oder Materialwirtschaft. Zugleich aber beinhaltet sie das gesamte operative Management, denn alle Aktivitäten in allen Bereichen des Geschäftsbetriebs werden von Menschen ausgeübt, die es zu führen gilt. Demgegenüber weisen die Aufgabenfelder des strategischen und konstitutiven Managements nur Einsprengsel von Personalführung auf.

Komplexität der Theorie

Die Komplementäre Führungstheorie umfasst sieben Modellelemente mit jeweils diversen Einzelelementen und ist damit durchaus komplex. Wer dies als überzogen ansieht, vergegenwärtige sich die theoretische Vielschichtigkeit des Kaffeekochens oder Autofahrens: In wie vielen Elementen wären diese zu beschreiben? Die Erwartungshaltung, ein brauchbares theoretisches oder betriebliches Führungsmodell in wenigen Sätzen abzuhandeln und auf den ersten Blick nachvollziehbar zu machen, ist ebenso unrealistisch wie eine Erläuterung des Autofahrens in ähnlichem Format.

7 Modellelemente

Aufgabenfelder der Personalführung